ALTE MÜLI-SCHEUNE WIRD ZUR KREATIV-FABRIK.

Der Landbote / Freitag, 5. Dezember 2014

RICKENBACH Jahrzehntelang stand die Scheune der alten Müli in Rickenbach leer und zerfiel. Unternehmerin Gogo Gärtner hat dem 200 Jahre alten Gebäude neues Leben eingehaucht und es zum Geschäftssitz der Nolina applica GmbH gemacht.

Ein riesiges «Danke» aus weissen Buchstaben hängt zwischen Lift und Treppe und begrüsst jeden, der eintritt. In der alten Scheune der Rickenbacher Müli trifft 200 Jahre altes Gebälk auf Beton, Treppengeländer aus Metall und einen verglasten Lift. Überall geben Öffnungen in den Böden den Blick bis in den Dachstock frei. Winkel, Treppen, Stützpfeiler machen den Innenraum der Scheune beinahe zu einem kleinen Labyrinth.

Jahrzehntelang war das denkmalgeschützte Gebäude, das einst als Heulager und Stall diente, dem Zerfall überlassen. Doch vor gut zwei Jahren betrat Unternehmerin Gogo Gärtner die zum Verkauf stehende Scheune das erste Mal – und hatte eine Vision: Hier würde sie ihre Firma einquartieren.

Sich selbst verwirklicht

Denn die Nolina applica GmbH brauchte mehr Platz. Innert acht Jahren ist sie von einer Ein-Frau- Firma zu einem Unternehmen mit zehn Mitarbeitenden angewachsen. Der Firmensitz in Winterthur-Hegi wurde zu klein. Die Nolina hat sich auf Artikel und Dekorationen für Werbung, Events, Jubiläen oder Messen spezialisiert. Sie stellt zum Beispiel riesige Schriftzüge oder Klebefolien für Autos und Loks her. Zudem bedruckt sie Stoffe, mit denen metergrosse Bilder möglich sind, und ist an Events wie zum Beispiel dem World Economic Forum in Davos oder der Eröffnung der Zürcher Durchmesserlinie im Juni dieses Jahres tätig. «Das <Danke>, das jetzt hier hängt, ist ein Überbleibsel von diesem Anlass», sagt Gärtner.

Ein Jahr dauerte es, um eine Baubewilligung zu erhalten. Mit nur einem Dreivierteljahr Bauzeit wurde aus der alten Scheune schliesslich der neue Firmensitz der Nolina. «Wir haben möglichst viel der alten Substanz erhalten», sagt Gärtner, die das Projekt mit ihrem Lebenspartner Rene Kaufmann umgesetzt hat. Sie hat sich selbst um die Architektur gekümmert und auch beim Bau oft Hand angelegt. «Ich habe mich hier drin verwirklicht. Das Gebäude widerspiegelt ein Stück von mir», sagt sie und lacht. Das Alte zeigt sich nicht nur im dominanten Gebälk und den steinernen Mauern, sondern auch im alten Heugreifer, der frisch restauriert an seinem angestammten Platz hängt. Oder in einem Stück Steinboden aus dem ehemaligen Pferdestall, das in einer Wand wieder eingemauert wurde, ein Kronleuchter aus Einmachgläsern hängt an 200 Jahre alten Umlenkrollen, die beim Umbau gefunden wurden. Nicht alles lief wie geplant. Eine alte Backsteinmauer, die den Raum teilte, fiel einfach um, als der Bagger das erste Mal auffuhr. Eine Betonwand ersetzt sie jetzt.

Mehr Arbeit als Wohnen

«Die Scheune passt zu unserer Firma», sagt Gärtner. Denn wenn andere sagen, es geht nicht, werde es für sie und ihr Team erst richtig spannend. Man habe den Willen, auch aufwendige Speziallösungen umzusetzen. Dafür brauche es kreative und flexible Mitarbeitende, aber auch die entsprech-ende Technik. Riesige Maschinen stehen auf unterschiedlichen Stockwerken der Scheune verteilt. Eine von ihnen kann Farbe verdampfen, die sich dann mit gewebtem Stoff verbindet und so riesige Drucke ohne Ansatz ermöglicht. Eine andere schneidet, fräst oder sägt so ziemlich jedes Material, das man ihr unterlegt, und eine weitere Maschine bedruckt wiederum jegliche Materialien – egal ob Leder, Metall, Holz oder Kunststoff.

Vor knapp zwei Wochen ist die Firma in Rickenbach eingezogen. Die Maschinen laufen, auch wenn es am Bau noch einiges zu tun gibt. Die Detailarbeit brauche halt noch Zeit, sagt Gärtner. Ihre Wohnung wolle sie in der renovierten Scheune nicht einbauen. «Ich arbeite mehr, als ich wohne, darum kann ich hier sehr viel Zeit verbringen», sagt sie und lacht.

Ines Rütten